Gestern wurden von der Bundesregierung die Mindestlohnregelungen auf weitere Branchen ausgeweitet. Somit kommen unter anderem Arbeiter in der Baubranche, im Pflegedienst, der Entsorgungswirtschaft oder Postdienstleistungen in den Genuss eines Mindestlohns. Grund genug sich einmal ganz genau die tiefer gehenden Zusammenhänge anzuschauen, die in der öffentlichen Diskussion gerne vergessen werden.

Immer wenn über den Mindestlohn gesprochen wird, dann wird der Vergleich mit Großbritannien angeführt. Hier wurde ein Mindestlohn eingeführt und daraufhin ist die Arbeitslosigkeit zurückgegangen. Dieser Vergleich hinkt so gewaltig, dass ich mich manchmal frage, warum er immer noch als Argument genutzt wird.

Natürlich ist die Arbeitslosigkeit zurückgegangen. Man hat die Beobachtung auch in einer konjunkturell guten Phase angestellt. Da ist es doch klar, dass die Arbeitslosigkeit geringer wird. Das hat überhaupt gar nichts mit einem Mindestlohn zu tun. Die Frage müsste lauten, wie weit die Arbeitslosigkeit zurückgegangen wäre, wenn man auf einen Mindestlohn verzichtet hätte. Doch soweit denkt wieder kaum jemand!

Außerdem ist Großbritannien überhaupt nicht mit Deutschland vergleichbar, da das Vereinigte Königreich noch von den wirtschaftlichen Reformen der Thatcher-Administration zehren kann. Hier wurden so viele soziale Einschnitte getätigt, ein bisschen mehr Sozialstaat schadet da heute überhaupt nicht. Deutschland ist aber in einer anderen Ausgangslage.

Aber bitteschön, wenn es unbedingt einen europäischen Vergleich geben soll. Warum spricht dann niemand von Frankreich? Auch hier wurden Mindestlöhne eingeführt. Das Ergebnis war ein immenser Anstieg der Arbeitslosigkeit im Niedriglohnsegment. Das ging sogar soweit, dass Ende 2005 über mehrere Wochen die Vororte von Paris gebrannt haben, weil frustrierte Jugendliche keinen anderen Ausweg mehr gesehen haben.

Sie sehen also, es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Die Argumentation, die hinter einem Mindestlohn steht ist eigentlich recht einleuchtend. Den Arbeitnehmern steht durch den Mindestlohn mehr Geld zur Verfügung, was über zusätzlichen Konsum der Wirtschaft zugute kommt und die Konjunktur ankurbeln wird.

So einfach diese Kausalkette ist, so falsch ist sie leider auch. Die konjunkturelle Entwicklung ist nicht, wie immer behauptet wird, vom privaten Konsum, also der privaten Nachfrage nach Güter und Dienstleistungen, abhängig, sondern von der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Und an der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sind auch die Unternehmen beteiligt, und zwar zu einem nicht unerheblichen Teil.

Die betroffenen Unternehmen reagieren mit Anpassungen und versuchen die entstehenden Mehrkosten zu kompensieren. Die Konsequenz ist recht einfach. Der Konsum der Unternehmen geht zurück. Der Fuhrpark wird erneut über den Tüv gebracht, neue Computer werden erst einmal nicht angeschafft, das Marketingbudget wird gekürzt usw.

Es stehen sich die zwei Effekte gegenüber – die Arbeiter konsumieren mehr, die Unternehmen weniger. Jetzt ist die Frage, welcher von beiden überwiegt. Die Unternehmen tragen 100 Prozent der Kosten, die Arbeiter konsumieren aber nicht die kompletten 100 Prozent der Mehreinnahmen. Ein Teil wird gespart, ein bisschen was fließt ins Ausland. Außerdem sei jetzt ein für alle Mal gesagt, dass wir uns in einer Krise befinden. Da steht den Menschen der Kopf sowieso nicht nach übermäßigem Konsum. Unterm Strich dürfte die Wirkung auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage eher schlecht ausfallen.

Bis jetzt haben wir aber über eine Gruppe, die auch an der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage beteiligt ist, noch nicht gesprochen: Die Arbeitslosen! Ein Mindestlohn verringert ganz eindeutig deren Chancen vor allem in einem unteren Einkommenssegment eine neue Anstellung zu bekommen.

Arbeitslose haben nun einmal leider keine Gewerkschaft, die vehement für sie eintritt. Durch Mindestlohn werden nur die Interessen einiger gewahrt, zu Lasten der Konjunktur und zu Lasten der Arbeitslosen. Fragen Sie sich selbst, ob das sozial ist.

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